©NASA, ESA, S. Baum & C. O'Dea (RIT), R. Perley & W. Cotton (NRAO/AUI/NSF), Hubble Heritage Team (STScI/AURA)

Physik Rasantes Wachstum

Ein Quasar bezeichnet eine Galaxie, in dessen Zentrum ein aktiv wachsendes schwarzes Loch sitzt. Die am weitesten von der Erde entfernten Quasare geben Einblicke in die Frühzeit des Universums – und verraten einiges über das Wachstum schwarzer Löcher

von Dr. Anna-Christina Eilers

Nach fast zwanzig Stunden Flug und einigen Stunden Busfahrt bin ich endlich angekommen – inmitten der trockensten Wüste der Welt, der Atacama-Wüste in Chile. Vor mir, auf einem nahe gelegenen Hügel, dem Cerro Paranal, stehen die vier riesigen, von der Europäischen Süd­stern­warte betriebenen Teleskope. Mit Spiegeln von etwa acht Metern Durch­messer gehören sie zu den größten ihrer Art für optische und infra­rote Wellen­längen.

Direkt davor liegt ein halb unterirdisch in der Wüsten­landschaft verstecktes Hotel. Es wird aufgrund der mars­ähnlichen Umgebung auch „Boarding House on Mars“ genannt. Hier sind die Wissenschaftlerinnen und Ingenieure unter­gebracht, die an den Teleskopen arbeiten. Eine gewisse Bekanntheit verdankt das Hotel dem James-Bond-Film „Ein Quantum Trost“, in dem es als Kulisse dient – und am Ende explodiert.

Hier verbringe ich die nächsten Nächte vor unzäh­ligen Monitoren, um weit entfernte Galaxien zu erkunden. Dabei interessiere ich mich für das Wachstum besonders masse­reicher schwarzer Löcher. Diese befinden sich im Zentrum nahezu aller Galaxien – auch in unserer Heimat­galaxie, der Milch­straße. Obwohl man ein schwarzes Loch – wie der Name ahnen lässt – nicht direkt beobachten kann, lässt sich das Gewicht jenes Masse­monsters im Zentrum der Milch­straße recht genau bestimmen.

Beobachtet man die Sterne im Zentrum unserer Galaxie, die auf elliptischen Bahnen ein unsicht­bares Objekt zu umkreisen scheinen, lässt sich daraus die Anziehungs­kraft und ergo die Masse des schwarzen Loches ermitteln. Sagittarius A*, so wird das schwarze Loch in unserer Milch­straße genannt, ist fast fünf Millionen Mal so schwer wie die Sonne. Damit gehört es zu den eher kleinen seiner Art, in weiter entfernten Galaxien können schwarze Löcher mehr als 1000-mal masse­­reicher werden.

Anna-Christina Eilers auf Hawaii
©privat
Für die Erforschung junger Quasare nutzt Anna-Christina Eilers Daten der derzeit größten Teleskope für optische und infrarote Wellen­längen – hier: das Mauna- Kea-Observatorium auf Hawaii

Aber auch jedes noch so schwere schwarze Loch hat einmal klein angefangen. Ihren Anfang haben sie typischer­weise, wenn der Brenn­stoff in masse­reichen Ster­nen auf­gebraucht ist und diese am Ende ihres Lebens in einer gigantischen Explosion – einer Supernova – ihre Gas­hüllen abwerfen. Der Kern eines sol­chen Sterns kollabiert sodann zu einem schwarzen Loch.

Schwarze Löcher üben eine enorme Anziehungs­kraft auf alle Materie in ihrer Umgebung aus. Gas, Staub, Sterne, auch andere kleinere schwarze Löcher – alles in ihrer Reich­weite wird aufgrund der Gravitations­kraft angezogen. Wegen des Dreh­impulses bewegt sich die Materie nur langsam entlang spiral­förmiger Bahnen auf das schwarze Loch zu. Auf diese Art wachsen schwarze Löcher und werden mit der Zeit schwerer und schwerer.

Dabei wird jedoch nicht die gesamte Materie verschluckt. Ein Teil wird vielmehr in Energie ­umgewandelt und wieder abgestrahlt. Deshalb sind wachsende, sogenannte „aktive“ schwarze Löcher, paradoxer­weise die hellsten Objekte, die wir im Universum beobachten können. Schlummert ein schwarzes Loch hingegen ruhig vor sich hin und verschlingt keine Materie, strahlt es keine Energie ab.

Galaxien, in deren Zentrum ein solches aktiv wachsendes schwarzes Loch sitzt, werden auch Quasare genannt. Aufgrund ihrer enormen Leucht­kraft kann man auch sehr weit entfernte Quasare beobachten, deren Licht viele Milliarden Licht­jahre unterwegs war, bevor es die Erde erreicht. Deshalb transportiert es wert­volle Informationen aus der Vergangenheit. Es ermöglicht uns eine Zeit­reise und erlaubt Rück­schlüsse auf das junge, gerade einige Hundert Millionen Jahre alte Universum.

Genau für diese Quasare interessiere ich mich. Zusammen mit meinen Kollegen Joe Hennawi und Fred Davies von der University of California, Santa Bar­bara, suche ich eine Antwort auf die Frage, wie schnell schwarze Löcher in der Anfangs­zeit des ­Universums heran­wachsen können.

Das Alter der Quasare spielt dabei eine wichtige Rolle. Weil deren Bestimmung bisher nur ungenau möglich war, entwickelten wir eine neue Methode. Sie beruht auf folgender Idee: Je älter Quasare sind, desto mehr Zeit zum Wachsen haben die schwarzen Löcher. Während dieser Wachstums­phase emittieren Quasare Strahlung, die ihrer­seits das Gas in ihrer Umgebung anregt und ionisiert. Doch ionisiertes Gas absorbiert weniger Licht als neutrales Gas, und deshalb kann ein größerer Anteil des Lichts der Quasare durch die ­Gaswolken dringen und von unseren Teleskopen eingefangen werden. Junge Quasare haben nur einen kleinen Teil des sie umgebenden Gases ionisiert. Ihr Licht wird nahezu voll­ständig absorbiert und erreicht die Erde nicht. Der Anteil des Lichts in der unmittel­baren Umgebung der Quasare lässt also auf ihr Alter schließen.

Trotz der enormen Helligkeit dieser Objekte, ist ihr Licht nach der Reise von vielen Milliarden Jahren extrem schwach. Messbar wird es nur mit den der­zeit größten Teleskopen für optische und infrarote Wellenlängen. Ihre Spiegel haben Durch­messer von acht bis zehn Metern. Sie stehen auf dem Gipfel eines Vulkans in Hawaii und hier, in der chilenischen Atacama-Wüste. Diese entlegenen Orte eignen sich deshalb so gut, weil die Luft in großen Höhen dünn ist und es keine störenden Licht­quellen gibt.

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Anhand unserer Beobachtungen gelang es uns zum ersten Mal, auf diese Weise das Alter von Quasaren zu bestimmen – mit einem über­raschenden Ergebnis: Einige der Quasare waren zu dem Zeitpunkt, als ihr Licht im frühen Universum ausgestrahlt wurde, nur wenige Tausend Jahre alt – so alt wie heute die Pyramiden in Ägypten. Das ist für die Wachstums­­phase eines so masse­reichen schwarzen Loches eine sehr kurze Zeit­spanne. Diese Entdeckung stellt uns Astronomen momentan vor große Rätsel. Wie die schwarzen Löcher im Zentrum der jungen Quasare in nur so kurzer Zeit so groß werden konnten, lässt sich bisher mit keiner physikalischen Theorie erklären.

Doch haben wir ein paar Ideen, wie wir die Modelle anpassen können, damit sie unsere Ergebnisse erklären. So ist beispiels­weise denkbar, dass Quasare bei ihrer Entstehung in große Staub­wolken eingebettet sind. Diese könnten die schwarzen Löcher während ihrer ersten Wachstums­phase verdunkelt haben, ­sodass wir sie zunächst nicht beobachten können. Das würde darauf hindeuten, dass es womöglich eine große Anzahl versteckter Quasare im frühen Universum gibt, die wir bisher noch nicht entdeckt haben.

Möglich ist auch, dass ein größerer Anteil der angezogenen Materie von den schwarzen Löchern verschlungen wird und geringere Anteile als bisher gedacht in Strahlung umgewandelt werden. Wäre dies korrekt, bedeutet das, dass unser Verständnis der physikalischen Prozesse des Wachstums schwarzer Löcher noch unvoll­ständig ist. Mithilfe des James-Webb-Welt­raum­teleskops, das im Herbst 2021 ins All starten soll und besser denn je in die Tiefen unseres Universums blicken wird, erhoffen wir uns viele neue Erkenntnisse, die uns helfen, das Rätsel der jungen Quasare zu lösen.

Auch hier, in unmittelbarer Nachbarschaft zum „Boarding House on Mars“, stehen schon die Fundamente für ein noch größeres Teleskop. Wenn ich im Morgen­grauen den Kontroll­raum am Cerro Paranal verlasse und nach einer langen Nacht zum Hotel zurückkehre, kann ich die Bau­stelle des Extremely Large Telescope sehen. Wenn es fertig ist, verfügt es über einen Spiegel mit einem Durch­messer von fast 40 Metern und könnte unsere Kenntnisse über das Universum revolutionieren.

Die Erde, eine ­Murmel

Wie aus unserem Planeten ein schwarzes Loch wird – ein Gedanken­spiel

Das Ende eines masse­reichen Sterns ist ziemlich spektakulär. Denn wenn der Brenn­stoff in seinem Inneren aufgebraucht ist, kommt die Energie­frei­setzung durch thermo­nukleare Fusions­prozesse zum Erliegen. Und das bedeutet das schlag­artige Ende des Gleich­gewichtes zwischen dem nach außen gerichteten Strahlungs­druck und der nach innen wirkenden Gravitations­kraft. Der Stern kollabiert.

Hat dieser Stern eine Masse, die ungefähr 40-mal so groß ist wie die der Sonne, pressen die zusammen­stürzenden äußeren Schichten die Materie im Zentral­bereich des Sterns ins Uner­messliche zusammen. Es entsteht ein schwarzes Loch – ein unsichtbarer kompakter Körper, dessen Schwer­kraft so groß ist, dass selbst Licht ihm nicht entkommt.

Was da Unvorstellbares passiert, lässt sich am Beispiel der „Flucht­geschwindig­keit“ zeigen. Das ist jene Geschwindig­keit, die ein Objekt erreichen muss, um die Schwer­kraft eines Himmels­körpers zu über­winden. Im Fall der Erde etwa muss eine Rakete gut 40.000 Kilometer pro Stunde schnell ­werden, um ins All zu gelangen.

Die Fluchtgeschwindigkeit nimmt zu, je stärker eine Masse zusammen­gedrückt wird. Ein schwarzes Loch ist so kompakt, dass die Flucht­geschwindigkeit den größt­möglichen Wert über­steigt: die Licht­geschwindig­keit. Selbst Licht kann es also nicht mehr verlassen.

Es lässt sich nun ausrechnen, wie sehr man die Erde zusammen­pressen müsste, bis ihre Flucht­geschwindig­keit theoretisch der Licht­geschwindig­keit entspräche. Ergebnis: Unser Planet würde zu einem schwarzen Loch, wenn er einen Durch­messer von nur rund 1,8 Zenti­metern hätte.
— JS

©Pixtal/F1online
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