Physik Daten speichern mit Licht
Ein neues Verfahren ermöglicht es, Informationen auf Folie zu schreiben und auch wieder zu löschen – und dies allein mit Licht!
Vielleicht sind sie Ihnen auf Briefumschlägen auch schon aufgefallen: die orangefarbenen Streifen, alle gut fünf Millimeter hoch. Sie werden in Briefzentren aufgedruckt und enthalten Informationen, die die Sortierung und den Versand erleichtern. Im Tageslicht ist der Code auf dem weißen Umschlag nur schlecht erkennbar. Bestrahlt man den Umschlag aber mit ultraviolettem Licht, leuchtet er hell auf und kann blitzschnell maschinell ausgelesen werden. Das ist ein alltägliches Beispiel für photonische Datenspeicherung, also die Bereitstellung von Informationen durch Wechselwirkung von Licht mit bestimmten Materialien.
In diesem Fall entsteht das Leuchten durch Fluoreszenz, einen Effekt, der auch die weißen T-Shirts im Schwarzlicht der Disco erstrahlen lässt. Typisch: Endet die Bestrahlung mit Licht, so wird auch das angeleuchtete Objekt sofort dunkel. Anders verhält es sich mit der Phosphoreszenz – jenem Effekt, der nachts im Kinderzimmer die grünen Sterne schimmern lässt. Phosphoreszenz beschreibt die Fähigkeit eines Materials, Energie zu speichern. Es leuchtet also über die Zeit der Bestrahlung hinaus.
Vereinfacht lässt sich sagen, dass in phosphoreszierenden Materialien Elektronen infolge der Bestrahlung mit Lichtenergie von ihren angestammten Plätzen auf eine energetisch höhere Position gehoben werden. Das ist vergleichbar mit einem Kind, das im Kinderzimmer sitzt und aus einem Behälter Murmeln fischt, die es auf die Rampe einer Kugelbahn legt. Die angehobenen Elektronen fallen nun wie die Kugeln zurück, hinunter in ihre Ausgangslage. Dabei geben sie Energie ab, die wir als Licht sehen können. Meist passiert dies sehr schnell, es entsteht die flüchtige Fluoreszenz. In manchen Materialien können sich die Elektronen aber auch infolge quantenmechanischer Effekte „verkanten“ und für einige Zeit oben auf der Kugelbahn liegen bleiben. Sie fallen verzögert in ihre Niveaus niedrigerer Energie zurück – so sehen wir die freiwerdende Energie als Phosphoreszenz.
Bei den phosphoreszierenden Materialien handelt es sich üblicherweise um kristalline Pulver, denen Seltene Erden zugesetzt werden. Dies hat zwei große Nachteile. Erstens ist die Gewinnung von Seltenen Erden mit großen Umweltbelastungen verbunden. Zweitens lassen sich die pulverförmigen Stoffe nur schlecht weiterverarbeiten. Um die Nutzung der Phosphoreszenz umweltfreundlicher zu machen und auf weitere Anwendungsgebiete auszuweiten, werden seit einigen Jahren neue Materialien entwickelt. Diese basieren meist auf Kohlenstoff und Wasserstoff, den Grundbausteinen auch von allem Leben auf der Erde.
Unsere Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Phosphoreszenz dieser neuartigen Stoffe. Im Gegensatz zum handelsüblichen Pulver lässt sich unser Material als durchsichtige Folie herstellen. Dabei tritt allerdings ein neues Problem auf: Sauerstoffmoleküle der Umgebungsluft sorgen dafür, dass die Folie nicht leuchten kann. Wie das? Um den Grund dafür zu erklären, greifen wir auf die Analogie des Spiels mit der Kugelbahn zurück. Stellen wir uns vor, dass nun weitere Kinder zu Besuch sind, und alle möchten gerne eine Murmel mit nach Hause nehmen. Doch statt welche aus dem Behälter unten zu nehmen, schnappen sie die Kugeln weg, die bereits oben auf der Startrampe liegen. Wenn dort aber alle Kugeln weggenommen werden, können natürlich auch keine wieder nach unten fallen.
Gleiches gilt für die Elektronen im phosphoreszierenden Material. Die diebischen Kinder sind hierbei Sauerstoffmoleküle aus der Umgebungsluft, die blitzschnell die Energie der Elektronen stibitzen. Dadurch bleibt keine Energie für die Phosphoreszenz übrig, und unser Material bleibt dunkel. Um das zu verhindern, muss der Sauerstoffzutritt verhindert werden. Im Prinzip müsste das ganz einfach gehen: Wir machen die Tür zu. Dadurch bleiben die fremden Kinder draußen, und unsere Murmeln, also die Elektronen, können wieder runterfallen und Energie abgeben.
Wir gingen also ins Labor und versahen unsere Folie mit einer Sauerstoffbarriere – in der Hoffnung, auf diese Weise das Leuchten zu ermöglichen. Doch als wir die Probe mit ultraviolettem Licht bestrahlten, sahen wir: nichts. Kein Leuchten, keine Phosphoreszenz, unser Material blieb vollständig dunkel.
Enttäuscht stoppten wir die Messung und speicherten die Daten. Doch als wir gerade die Bestrahlung abschalten wollten, sahen wir ein grünes Licht aufblitzen: Phosphoreszenz. Nun also doch? Dafür hatten wir zunächst keine Erklärung – und gingen in die Mensa. Eine Stunde später wiederholten wir das Ganze, beleuchteten unsere Probe und sahen zunächst wieder: nichts. Doch nach ein paar Sekunden Bestrahlung phosphoreszierte die Probe erneut.
Es sollte uns einige Monate kosten, die physikalischen Vorgänge dahinter vollständig zu verstehen. Doch dann war das Bild klar. Wir hatten beim Aufbringen der Sauerstoffbarriere, also beim Schließen der Kinderzimmertür, etwas vergessen. Und zwar die Kinder, die schon im Raum waren. Auch innerhalb unserer Folie befand sich nämlich noch eine gewisse Menge Sauerstoff, die den Elektronen die Energie stehlen konnte. Das war der Grund, warum zunächst keine Phosphoreszenz auftrat.
Warum dann aber letztlich doch? Nun, wenn jedes anwesende Kind sich eine Murmel genommen hat, ist es zufrieden und will keine weitere. Genauso bei uns im Labor: Die in der Folie vorhandenen Sauerstoffmoleküle werden durch die „geklaute“ Energie besonders reaktionsfreudig und binden sich nun fest in die chemische Struktur der Folie. In diesem Zustand können sie den Elektronen keine weitere Energie mehr abnehmen. Wenn man also nur lange genug beleuchtet, ist der Restsauerstoff chemisch gebunden, die Energie kann nun voll in Phosphoreszenz aufgehen.
Und noch etwas fanden wir heraus. Die Sauerstoffbarriere ist nicht vollkommen dicht. Vereinzelt können neue Sauerstoffmoleküle in die Folie eindringen und die Phosphoreszenz löschen. Wir konnten diesen Prozess durch Erhitzen des Materials gezielt verstärken. Die Phosphoreszenz einer transparenten Folie lässt sich also mithilfe von Sauerstoff und Licht gezielt mehrfach berührungslos aktivieren und deaktivieren. Das ist bemerkenswert und hat vor uns noch keiner geschafft.
Unser Verfahren kann in Zukunft von großer praktischer Bedeutung sein. Anders als jene Zielcodes auf den Briefumschlägen, die ja durch das Aufdrucken eindeutig festgelegt sind, lässt sich das Leuchten unserer Folie flexibel steuern. Es lassen sich beliebige leuchtende Codes hineinschreiben – und bei Bedarf ändern oder vollständig löschen. Unsere programmierbaren leuchtenden Etiketten – „programmable luminescent tags“ – eröffnen somit ganz neue Möglichkeiten der photonischen Datenspeicherung.
Als einen ersten Prototypen haben wir das Etikett eines Kunststoffbehälters mit nichts weiter als Licht mehrfach beschrieben und wieder gelöscht. Denkbar wären dadurch neuartige Verpackungen für die Lebensmittelindustrie oder die Logistik, die kontaktlos mehrfach neu etikettiert werden könnten. Darüber hinaus könnte der von uns entdeckte Effekt auch in der Sensorik oder in der Dokumentensicherheit zum Einsatz kommen.
Kaltes Licht
Quallen, Algen und Diamanten eint das Phänomen der Lumineszenz
Schon Plinius der Ältere staunte über das geheimnisvolle Leuchten der Lumineszenz. Der römische Naturforscher lebte im ersten Jahrhundert n. Chr. und beschrieb in seiner „Naturalis historia“, wie er beim Spaziergang am Strand eine Qualle entdeckte: „Der mit dem Pulmo marinus eingeriebene Spazierstock erleuchtete den Weg wie eine Fackel.“ Das mit der Fackel war übertrieben, beeindruckt war Plinius aber zu Recht.
Die sogenannte Biolumineszenz lässt nicht nur Glühwürmchen glühen, sondern auch Pilze auf totem Holz. Weit verbreitet ist sie bei einzelligen Meeresorganismen. Im Ersten Weltkrieg, so geht die Geschichte, konnten die Engländer ein deutsches U-Boot nur deshalb orten und versenken, weil es in eine Wolke leuchtenden Planktons geraten war.
Auch in der unbelebten Natur tritt Lumineszenz auf. So borgte sich der britische Naturforscher Robert Boyle im Jahr 1663 einen kleinen Diamanten, „nahm ihn mit ins Bett und drückte ihn eine Weile an meinen nackten Körper“. Und siehe da: Der Stein leuchtete im Dunkeln. Boyle entdeckte damit die durch Wärme ausgelöste Thermolumineszenz von Diamanten.
Er experimentierte weiter und stellte fest, „dass der Stein, wenn ich ihn eine Weile in der Nähe der Flamme einer Kerze hielt und sofort in die Dunkelheit entfernt wurde, ein schwaches Schimmern enthüllte“. Damit hatte er die phosphoreszierenden Eigenschaften des Edelsteins bewiesen. Auch dessen Piezolumineszenz enthüllte er, und zwar indem er ihn mit dem Finger fest drückte: Der Stein „enthüllte in dem Moment, in dem ich ihn zügig losließ, eine sehr lebendige, aber überaus kurze Pracht“. — JS